Islam für Kinder – PDF

 

WORT AN DIE ELTERN

Dieses Buch ist ein Anfang, nicht das perfekte Ergebnis langjähriger Experimente. Es ist deshalb notwendig, in kurzen Worten Absicht und Konzeption des Buches zu umreißen.

Überlegungen zum Problem der islamischen Erziehung in einer nicht- islamischen Umgebung wurden bereits vereinzelt angestellt. Sie gipfelten in dem Hilferuf von Dr. Smail Balis aus dem Jahr 1973, der eine Liste von 53 Familien veröffentlichte, deren Kinder durch das Aufwachsen in einer nicht- islamischen Umgebung zu Nicht-Muslimen wurden. Dr. Balic hat in Kenntnis der Problematik neben anderen Schriften bereits 1963 ‚Ein Lehrbuch des Islam für Jugend und Erwachsene – RUF VOM MINARETT‘ verfaßt.

Fatima Heeren entwickelte kürzlich in dem Beitrag ‚Die Erziehung unserer Kinder‘ ein Modell mit vier Stufen der islamischen Erziehung. Diese Stufen sind dem Entwicklungsprozeß des Kindes angepaßt: Stufe 1 – Aufwachsen in islamischem Milieu; Stufe 2 – Erfahren über den Islam durch Erzählungen und Geschichten; Stufe 3 – Verwirklichung des Islam im persönlichen Leben durch Erfüllen der religiösen Pflichten (fünf Säulen des Islam); Stufe 4 – Identifikation mit dem Islam durch persönlichen Dschihad (Ansträngung).

In diesem Zusammenhang verdient auch noch der ‚Kleine Islamische Katechismus‘ von Mehmet Soymen (übersetzt aus dem Türkischen von Achmed Schmiede) erwähnt zu werden, der jetzt in Neuauflage erschienen ist.

Unser Buch für Kinder soll dazu beitragen, die islamische Erziehung in der zweiten und dritten Phase zu erleichtern. Der ‚Kleine Islamische Katechismus‘ ist für Schulkinder besonders geeignet, während Dr. Balics Buch, wie der Titel schon sagt, mehr auf den Übergang zum Erwachsensein angelegt ist.

In der Phase (oder Stufe) 1 ist mit dem Kind noch kaum systematisch zu arbeiten. Den Versuch aber, für die Phase 2 eine Hilfe bereitzustellen, hat das Islamische Zentrum Hamburg mit seinem ‚Religionsbuch für moslemische Kinder‘ unternommen. Wir haben uns in manchen Fragen von diesem Buch leiten lassen, andererseits aber versucht, den Übergang vom Erfahren über den Islam zum Aneignen islamischen Verhaltens so nahtlos wie möglich zu gestalten.

Unser Buch richtet sich an Eltern und Kinder. Es ist als Arbeitsbuch gedacht; das bedeutet, mit ihm soll auch wirklich gearbeitet werden. Es ist keinesfalls Ziel des Buches, das Gewissen mancher unbedachter Eltern zu entlasten, die meinen, es genüge schon, wenn sie ihrem Kind ein Buch über den Islam in die Hand geben. Im Gegenteil! Die Mitarbeit der Eltern bei der Vermittlung dessen, was dieses Buch enthält, ist unbedingt notwendig. Es gibt darin sowohl für Eltern wie für Kinder genug zu tun.

Es ist unerläßlich, daß unsere Kinder schon ganz früh mit dem Islam vertraut gemacht werden, eine islamische Erziehung genießen, weil sonst die Umwelt unsere Kinder dem Islam entfremdet. In den meisten Fällen gibt es in Deutschland keine Gelegenheit, regelmäßig an islamischem Religions- unterricht teilzunehmen. Das vorliegende Buch soll helfen, diese empfindliche Lücke zu schließen. Es kann in der Familie, in kleinen Gruppen, aber auch – wo sich so etwas durchführen läßt ; im Religionsunterricht, also in Schulklassen, verwendet werden. Wenn wir Muslime im deutschen Schulsystem auf eine islamische Erziehung unsere Kinder verzichten müssen, so liegt es an uns, hier Alternativen aufzuzeigen, bis eine Lösung gefunden ist.

In Deutschland wird Deutsch gesprochen, deshalb ist auch dieses Buch auf Deutsch verfaßt. Wir wollen damit den Bereich des Islam aus der Isolation herausholen, in den er durch die Vielsprachigkeit unserer Kinder gelangt ist. In den meisten Fällen wird ja, wenn überhaupt, in der Muttersprache über den Islam gesprochen. Wesentliche Bereiche im Leben unsere Kinder vollziehen sich aber im deutsch-sprachigen Feld, vor allem, weil die Kinder ja fast ausnahmslos deutsche Schulen besuchen. Wenn wir unsere Kinder nun auch über den Islam in deutscher Sprache unterrichten, wird der Islam für sie auch in den Bereichen, in denen sie sich der deutschen Sprache bedienen, von größerer Bedeutung sein. Gelingt es uns nichts diese Trennung, die sich ja in der Mehrsprachigkeit ausdrückt zu überwinden, dann haben wir bereits versagt und der erste Schritt zur Entfremdung unserer Kinder ist vollzogen; der Islam hat dann Gültigkeit nur in bestimmten, oftmals eingeschränkten Situationen, und ist nicht mehr das, was er sein sollte: unsere Weise, zu leben.

Wenn wir religiös erziehen wollen, so sollten wir wissen, was Religion ist oder, in unserem Fall, was Islam ist. Wir haben die Antwort schon gegeben: Islam ist unsere Weise zu leben. Wir gehen davon aus, daß wir unter dem ständigen Eindruck des Tauhid1- Prinzips unser Leben gestatten.

Das ist die Basis, auf der wir dieses Buch aufgebaut haben. Wir wollen drei Dinge zum Ausdruck bringen: 1. die unumstößliche Tatsache des Tauhid; 2. die Auswirkungen, die die Anerkennung des Tauhid auf das Leben des einzelnen und 3. auf die Gemeinschaft hat. Unsere Weise zu leben schließt diese drei Dinge ein: Wir leben unter dem Eindruck des Tauhid als Individuen und als Gemeinschaft. Von der islamischen Gesellschaft, die wir anstreben, wollen wir hier nicht sprechen. Wir beschränken uns auf die Gegebenheiten, unter denen wir augenblicklich leben: Wir, und gerade wir hier in Deutschland, leben in einer nicht-islamischen Gesellschaft. Wenn unser Leben unter dem Eindruck des Tauhid über den persönlichen Bereich hinaus auch andere Bekenner des Islam miteinbezieht, so ist unsere ‚Umma‘ keine Gesellschaft sondern eine (sowieso meist nur kleine) Gemeinschaft.

In einer nicht-islamischen Gesellschaft zu leben und islamisch zu erziehen, verlangt zweierlei: Wenn ein Kind Muslim werden soll, muß es durch seine Umwelt über den Islam erfahren. In unserer besonderen Lage muß man ihm vor allem schon zu Hause mit großer Sorgfalt beibringen, was Islam bedeutet, weil es während des Heranwachsens weder außer Haus noch in der Schule Informationen hierüber erwarten kann. Zum anderen ergibt sich dann, jedoch erst dann und nicht etwa von selbst, das Problem des ‚Andersseins‘. Wir müssen uns hier der Tatsache bewußt sein, daß wir unseren Kindern durch eine islamische Erziehung das Leben in einer nicht-islamischen Umwelt keineswegs erleichtern sondern erschweren. Setzen wir also das Kind einer solchen Situation aus, müssen wir uns umso sorgfältiger und mit größter Aufmerksamkeit seiner gesunden Entwicklung auf geistigem Gebiet annehmen.

Wie uns Abu Hurairah berichtet, hat der Prophet Gottes gesagt: ‚Es gibt kein Kind, das nicht als Muslim geboren wird. Es sind seine Eltern die dann einen Juden oder einen Christen oder einen Magier aus ihm machen…‘ (Bukhari und Muslim). Diese Überlieferung muß heute noch in einem besonderen Licht gesehen werden: Es liegt nicht nur an uns Eltern und unserer Erziehung, ob ein Kind Jude, Christ oder Magier wird. Unsere wichtigste Aufgabe ist nämlich, den Islam auch zu leben, damit unser Kind Muslim bleiben kann. Wenn wir unseren Kindern daheim oder in der Moschee oder sogar in der Schule eine islamische Erziehung angedeihen lassen, ohne als Eltern selbst ernst zu machen mit dem Islam, dann wird sich diese Erziehung bald als eine rein formale Angelegenheit erweisen, die mit dem Verlassen der Entwicklungsstufe, in der das Kind sie sich angeeignet hat, auch wieder abgelegt wird. Auch in diesem Sinn ist unser Buch ein Buch für Eltern und Kinder: Einer allein kann nicht (oder nur unter großen Schwierigkeiten) Muslim werden.

Das Buch besteht, abgesehen vom Wort an die Eltern aus vier Teilen. Der erste Teil berichtet in Form von Vorlesegeschichten über das, was im traditionellen Sprachgebrauch ‚Iman‘ heißt. Hier werden die Glaubensgrundsätze behandelt: Es geht um Allah, Engel, Propheten, Bücher, Auferstehung und Gut und Böse. Besonderer Nachdruck wurde natürlich auf die Propheten-Erzählungen gelegt. Das Leitmotiv, unter dem diese Propheten-Erzählungen stehen, lautet: Alle Propheten haben den Menschen gesagt: ‚Ihr sollt zu Allah beten. Allah hat euch geschaffen. Er hat Pflanzen und Tiere gemacht, damit ihr zu essen habt. Die Menschen sollen dafür dankbar sein und das Gute tun.‘ Diese vier Punkte sollten im Gespräch mit dem Kind herausgearbeitet werden.

In der Erzählung von Adam wurde bereits erklärt, daß die Propheten Männer sind, die den Menschen entsprechend Gottes Offenbarung das Leitmotiv ‚wir Menschen beten zu Allah unserem Schöpfer und Erhalter. Wir tun Gutes‘ überbracht haben. Versuchen Sie, dies auch beim Lesen der nachfolgenden Geschichten, vielleicht sogar bei der einen oder anderen dafür geeigneten Gute-Nacht-Geschichte, durch Rückfragen, auf inzwischen bekannte Propheten bezogen, einleuchtend zu machen. Das Kind soll verstehen, daß die Propheten alle nur ein Anliegen hatten, weil sie alle von einem Gott, Allah, entsandt worden sind.

Die ganz schlicht gehaltenen Zeichnungen sind dazu gedacht, daß die Kinder sie bunt ausmalen können. Sie sollten sich die Zeit nehmen und sich immer dann, wenn Ihnen das Kind voll Stolz eines der ausgemalten Bilder vorführt, von ihm auch die Geschichte dazu erzählen lassen. Das macht den Kindern Spaß und Sie haben eine Art ‚Lernkontrolle‘, während sich die Geschichte durch eine solche Wiedergabe dem Kind noch besser einprägt.

Überhaupt wurde versucht, dem Kind möglichst viele Gelegenheiten zu geben, sich aktiv und seinem Verständnis entsprechend mit dem Vermittelten zu beschäftigen. Insbesondere der abschließende Teil 4 wurde dazu geschaffen, die Kinder der verschiedenen Altersgruppen zum Spielen und Basteln anzuregen, ihnen Anleitung zu geben.

Der zweite Teil des Buches befaßt sich mit den fünf Säulen des Islam. Hierbei wurde das Gebet ganz besonders hervorgehoben. Auch in dem Teil, der die Erzählungen enthält, wurde durch Einfügen der kurzen Gebetstexte bzw. Suren schon der Lernprozeß eingeleitet. Natürlich müssen sich gerade beim Gebet die Eltern ganz besonders des Kindes annehmen, ihm ihre Aufmerksamkeit widmen. Vor allem sollten Sie hier Vorbild sein!

Neben dem Gebet ist es vornehmlich die Zakat, auf die innerhalb der fünf Säulen des Islam Gewicht gelegt wurde. Der sich damit befassende Vorlesetext zielt darauf ab, beginnendes Gemeinschafts-Bewußtsein zu verbinden mit dem Bekennen zum Islam. Reichtum und Armut, Dinge, deren Widersprüchlichkeit den kindlichen Horizont noch sprengt, sind hier beim Namen genannt. Angestrebtes Lernziel in diesem Zusammenhang ist es, im Bewußtsein des Kindes die Tatsache fest zu verankern, daß Islam aktive Solidarität mit den Armen dieser Erde bedeutet und Reichtum kein Wert an sich ist, sondern im Sinn des Islam Verwendung finden muß.

Der weniger umfangreiche dritte Teil bemüht sich, Grundlagen der persönlichen Frömmigkeit zu bilden. Auch er kann nur als Anregung, nicht als Patentrezept verstanden werden. Auf Vollständigkeit mußte, wie schon angedeutet, in diesem Rahmen verzichtet werden. Uns kommt es darauf an, unseren Kindern Glauben und Handeln entsprechend den islamischen Lehren schwerpunktmäßig anzubieten, sozusagen als Anfang auf einem langen Weg. So wie das Buch aufgebaut ist, bietet es sich durchaus auch für den Religionsunterricht an, wie er vielleicht in manchen Gemeinden abgehalten wird. Hier käme es, wie schon bei der Verwendung in der Familie, darauf an, Teiles des Lern- und Erzählstoffs mit den Mal- und Bastelanregungen zu kombinieren, um die Freude am Lernen zu fördern.

Die Benutzer des Buches werden gebeten, dem Verfasser ihre Erfahrungen, ihre Kritik und ihre Anregungen mitzuteilen. Es handelt sich hier, wie schon erwähnt, um einen Anfang und ein langer Weg liegt noch vor uns. Dabei sollten möglichst viele Erfahrungen, Wünsche und Überlegungen miteinbezogen werden. Die islamische Erziehung unserer Kinder ist eine zu bedeutende Aufgabe, als daß wir sie noch länger vernachlässigen könnten. Wer immer dieses Buch liest und verwendet, ist aufgefordert, mitzuarbeiten.

‚O, die ihr glaubt, wenn ihr Allahs (Sache) helft, wird Er euch helfen und euch fest Fuß fassen lassen.‘

Sure Muhammad, Vers 8 Ahmad A. D. von Denffer

 

Qelle: https://www.viuk.ch/new/files/literatur/ISLAM_FUER_KINDER_v.2.4.pdf

 

 

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